Das vielleicht hässlichste Flugzeug der Welt
Boeing X-32A kommt nach 18 Jahren wieder ans Licht

Der ehemalige Rivale der späteren F-35 ist bald wieder zu sehen: Das USAF-Museum in Dayton hat die Restaurierung der Boeing X-32A abgeschlossen, und "Monica" erstrahlt in neuem Glanz.

Boeing X-32A von schräg oben
Foto: US Air Force

Ende der 90er Jahre duellierten sich Boeing und Lockheed Martin um den größten Rüstungsauftrag der jüngeren Luftfahrtgeschichte: Im Joint-Strike-Fighter-Programm (JSF) suchten die USA einen Nachfolger für AV-8B Harrier, F-16 und F/A-18. Das Muster sollte in einer konventionellen Variante und einer Version für Kurzstarts und senkrechte Landungen verfügbar sein. Außerdem hatte der Entwurf Stealth-Merkmale besitzen. Im November 1996 bestellte das US-Verteidigungsministerium jeweils zwei Demonstrator-Flugzeuge.

Unsere Highlights
Boeing X-32A beide Maschinen nebeneinander
Boeing

Boeing baute zwei JSF-Flugzeuge: Die X-32B (links) und die X-32A.

Spitzname "Monica"

Während die X-35 von Lockheed Martin noch relativ normal aussah, machte die X-32 von Boeing einen mehr als gewöhnungsbedürftigen Eindruck – vielerorts gilt sie als eines der hässlichsten Flugzeuge der Welt. Die Konstrukteure verpassten ihr einen Deltaflügel, dessen Vorderkante eine Pfeilung von 55 Grad aufwies. Der gedrungene Rumpf mündete vorne in einen großen Lufteinlauf, über dem das Cockpit Platz fand, und der für einen ungewöhnlichen Spitznamen sorgte. Der Legende nach nannten die Testpiloten den Jet damals "Monica" – in Anspielung auf eine gewisse Praktikantin im Büro vom damaligen Präsidenten Bill Clinton.

Boeing X-32A im Freien Frontansicht
US Air Force

Besonders der große Lufteinlauf sorgte damals für einigen Spott.

Anderer STOVL-Ansatz

Am 18. September startete die X-32A jedenfalls in Palmdale zu ihrem Erstflug. Die STOVL-Variante X-32B folgte am 29. März 2001 (Short-Take-off Vertical Landing). Während die konkurrierende X-35B über eine schwenkbare Schubdüse und einen separaten LiftFan verfügte, lenkte bei der X-32B ein Ventil den Abgasstrahl des Triebwerks in zwei bewegliche Schubdüsen. Diese saßen in der Nähe des Schwerpunkts. Zur Kontrolle im Schwebeflug kamen Rollsteuerdüsen zum Einsatz. Als Antrieb beider Versionen diente ein angepasstes F119 von Pratt & Whitney aus der F-22 Raptor.

Boeing X-32A im Flug von oben
Boeing

Die Flugerprobung der X-32 erfolgte von der Edwards Air Force Base aus und dauerte nur wenige Monate.

Niederlage gegen spätere F-35

Die Flugerprobung dauerte noch bis Mitte 2001 und verlief relativ reibungslos. Die X-32A absolvierte 66 Flüge, und die X-32B war 78-mal in der Luft. Am 26. Oktober 2001 erklärte das Department of Defense schließlich die X-35 zum Gewinner. Damit war die Basis für die heutige F-35 Lightning II gelegt. Boeing ging dagegen leer aus, und scheinbar wusste die nächsten Jahre niemand etwas mit den beiden Jets anzufangen. Erst 2005 kam die X-32A in die Sammlung des National Museum of the United States Air Force nach Dayton.

Boeing X-32A im Hangar seitlich
US Air Force

Die Jahre unter freiem Himmel hatten der X-32A nicht gutgetan.

Rund 18 Jahre im Depot

Die vielen Jahre unter der Sonne Kaliforniens hatten deutliche Spuren hinterlassen. Zudem waren Komponenten wie Triebwerk und Schleudersitz ausgebaut. Aber wenigstens stand der Exot vor den Elementen geschützt im Depot, bis das Museum 2023 mit der Aufarbeitung begann. Im Dezember war es nun so weit: "Monica" erstrahlt in neuem Glanz und wurde zu einem Foto-Shooting aus der Halle gezogen. Sie dürfte in Kürze einen verdienten Platz in der Forschungs- und Entwicklungs-Galerie der Ausstellung erhalten. Die X-32B hat es leider nicht ganz so gut erwischt: Sie steht weiterhin unter freiem Himmel beim Patuxent River Naval Air Museum in Maryland.

Die aktuelle Ausgabe
FLUGREVUE 05 / 2024
FLUGREVUE 05 / 2024

Erscheinungsdatum 11.04.2024